DER ABITURJAHRGANG 2011

B’ABI’cue – Wir sind heiß und brauchen Kohle

Unter diesem Motto feierten 107 WHG-Absolventen am Samstag Nachmittag und Abend ihr Abitur. Nach einem „heißen“ Abisturm am letzten Donnerstag begann der Samstag mit einem besinnlichen, aber positiv zukunftsorientierten Gottesdienst in der Matthiaskirche.

Die anschließende offizielle Feierstunde im Heimathaus eröffneten die Jazzband des WHG unter Leitung von Alexander Reffgen und die Moderatoren Ann-Kathrin Gehres und Niklas Stilz. In ihrer Ansprache hob Frau Pinger auf das Potential ab, das die frisch gebackene Abiturentia mitbringt, um im Bereich der Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, auf dem Feld von Forschung und Entwicklung, Medien und Politik wichtige Rollen, also Verantwortung  anzustreben und mit dem Ziel des Gemeinwohls und der Achtung der Menschenwürde zu übernehmen. Die Voraussetzungen, die dazu nötig sind, lassen sich gewiss nicht ausschließlich über Zeugnisnoten festmachen, doch die Tatsache, dass fast zwanzig der WHG – Abiturienten eine „eins“ vor dem Komma haben, ist vielversprechend und ausbaufähig.

Viele Bestleistungen und entsprechende Facharbeiten, aber auch herausragendes Engagement im sozialen Bereich und beeindruckendes Demokratieverständnis, führten zu den zahlreichen Preisen, die von naturwissenschaftlichen Instituten in Form von kostenlosen Mitgliedschaften und Abonnements von Fachzeitschriften zur Verfügung gestellt wurden. Dazu kamen zahlreiche Buchpreise des Fördervereins der Schule, die von Vorstandsmitglied, Frau Elke Schmidt, überreicht wurden. Nicht zu vergessen der Buchpreis der Bildungsministerin Doris Ahnen, den Robert Ginter für seine beständigen sozialen Leistungen zum Wohle der Schülerschaft erhielt. Das beste Abitur mit 1,3 absolvierte Ingrid Vockel, die auch für ihr historisches und politisches Interesse und ihre fachlichen Leistungen einen Buchpreis erhielt. Auch der Fachbereich Sport zeichnete Schüler aus, die dem WHG als „Partnerschule des Sports“ zu Finalteilnahmen in Berlin verhalfen und hervorragende Leistungen erbrachten. Dies waren Sarah Klinnert, Matthias Kohl und Stefan Voß.

Weitere Preise des Fördervereins gingen an Georg, Berger, Florian Blum, Ines-Maria Gärtner, Ann-Kathrin Gehres, Lea Grünhäuser, Lukas Meßmann, Niklas Stilz, Angela Reinhard, Raphael Pütz und Manuel Hartmann.

Der Fachbereich Chemie ehrte Marie-Lisa Eich als Jahrgangsbeste in diesem Fach. Das galt für das Fach Physik bei Stefan Langenfeld und Thomas Harder, in der Biologie für Raphael Pütz und in der Mathematik für Laura Föhrenbach.

Robert Ginter hatte darüber hinaus bereits am letzten Mittwoch aus den Händen von Frau Bildungsministerien Ahnen in Mainz die „Pierre de Coubertin-Medaille“ erhalten, die zum zehnten Mal an Abiturienten verliehen wurde, die über die gesamte Oberstufe sehr gute Leistungen im Fach Sport erbringen und sich gleichzeitig durch einen besonders engagierten sozialen Einsatz zur Unterstützung von Mitschülern einsetzen.

Hier die Namen der Abiturientinnen und Abiturienten:

Anheuser,Kerstin ;Berger,Georg; Blanks,Helen; Blum,Florian ; Boden,Paul; Böhm,Alexandra; Braun,Marce; Breithausen,Dominik;  Buchholz,Lars; Burkowski,Max ;Dammers,Vivien Dantchev,Alex; Deutschendorff,Sonja; Ebel,Natalie; Eich,Marie-Lisa; Erdem,Kübra; Falk,Patrick; Föhrenbach,Laura; Frie,Moritz; Friesen,Daniel; Fuchsius,Marce; Gärtner,Ines-Maria; Gehres,Ann-Katrin; Ginter,Robert; Gonschior,Christopher; Gorczak,Patricia; Grieger,Magdalena; Grönke,Judith; Grundmann,Peter; Grünhäuser,Lea R; Hille,Anastasia; Hofmann,Anton; Hohn,Miriam; Jacky,Nicolai; Jacobs,Martin; Jenner,Ida; Johnson,Luis Marvin; Kaiser,Katrin; Kamptz,Sarah; Kaufmann,Mirko; Kiehnle,Nina; Kifjak,Daria; Kleffmann,Kathrin; Klinnert,Sarah; Knickenberg,Christiane; Knuffmann,Carsten; Koch,Marvin; Kohl,Matthias; Kowalski,Jan; Krämer,Theresa; Krutz,Lukas; Langenfeld,Stefan; Meßmann,Lukas; Miller,Boris; Mollbach,Christopher; Müller,Jonas; Muscheid,Andre; Muscheid,Daniel; Neuendorff,Nils; Obidnev,Marina; Oster,Manue; Pawlik,Julia-Victoria; Peters,Frank; Plotzki,Patricia; Probst,Simon; Puderbach,Svenja; Pütz,Rafael; Rakau,Johanna Marie Sophie; Reinhard,Angela; Riedel,Martin; Rousseli,Antonia; Schmalenbach,Sarah; Schmidt,Kevin; Schmitz,Thomas; Schorn,Tobias; Schultheiß,Martin; Schwarz,Christian; Schwarz,Meike; Seitz,Franziska; Sittinger,Nina; Sohal,Azhar; Stilz,Niklas; Stollhof,Joachim; Theilig,Michael Charly; Thon,Kilian; Thran,Maurice; Töbel,Joline; Tsereas,Anastasia; Turenhout,Marcel; Türk,Mumin; van Helvoort,Tom; Vis,Michelle; Vockel,Ingrid; Voskamp,Enya; Voß,Sebastian; Vujinovic,Aleksandra; Waack,Leander; Werner,Vanessa; Wessling,Isabel; Wiebe,Andreas; Wirtgen,Christian.

Zum Nachlesen: Festrede von Frau Pinger

Sehr verehrte Eltern der diesjährigen Abiturientia, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrten Gäste, liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

Ich grüße Sie sehr herzlich und gehe davon aus, dass Freude, Stolz und Erleichterung heute Abend die vorherrschenden Empfindungen sind. Bei Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, ist diese Hochstimmung am verständlichsten und somit am ausgeprägtesten. Sie haben ein entscheidendes Ziel in Ihrem jungen Leben erreicht: das Abitur ist geschafft, und dass dies für Sie ein triftiger Grund zum Feiern ist, haben Sie schon am Donnerstag beim Abisturm und an dem, was sich heute Abend hier abzeichnet, deutlich gemacht.

Gratulieren möchte ich aber auch Ihnen, verehrte Eltern, die Sie nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass wir heute feiern können. Denn Sie haben Ihre Kinder über die gesamte Schulzeit hinweg unterstützend begleitet, haben Schulfreuden und –sorgen Ihrer Kinder hautnah miterlebt. Sie haben entscheidenden Anteil am heutigen Erfolg. Eigentlich haben auch Sie ein kleines Abizeugnis verdient, doch werden Ihr Beitrag und Ihre Leistung in unserer Schul- und Abiturprüfungsordnung einfach nicht berücksichtigt.

Ich gratuliere auch den Lehrerinnen und Lehrern des diesjährigen Abiturjahrgangs, die durch ihr Engagement innerhalb und außerhalb des Unterrichts die Grundlage für diesen besonderen Tag gelegt haben, die in so manchem persönlichen Gespräch sich Ihrer Sorgen und Nöte angenommen, Sie gestärkt, aufgebaut und in einigen Fällen Ihnen auch mal „den Kopf gewaschen“ und im übertragenen Sinne mal „in den Allerwertesten getreten“ haben.

Mit Sicherheit ist es auch für unseren Leiter der Oberstufe, oder Mainzer Studienstufe, wie es heißt, Herrn Studiendirektor Runkel ein besonderer Abiturjahrgang, denn außer, dass es fast sein dreißigster ist, den er durch das Abitur schleust, ist es auch sein allerletzter; d. h. nach 38 Dienstjahren am WHG – das damals noch gar nicht so hieß – wird er sein Büro schließen und in den verdienten Ruhestand gehen.

Und nicht zuletzt ist es auch für mich selbst ein besonderer Tag – nicht dass ich besonders viel zum Gelingen beigetragen hätte, außer der knapp 1000 Unterschriften unter Ihre Zeugnisse, Ihre Zweitschriften, je zwei beglaubigte Versionen und Ihre Zertifikate. Ich habe Bücher ausgewählt und beschafft, damit Sie diese als Buchpreise im Namen unseres Fördervereins auch bekommen. Eine ganze Reihe von Ihnen, liebe Abiturienten und Abiturientinnen, wurden von Ihren Fach- oder Kursleitern vorgeschlagen, und eine Vertreterin des Fördervereins wird Ihnen diese Anerkennung im Anschluss an die Zeugnisvergabe überreichen.

Was habe ich noch dazu getan? Nun ja, ich habe am Donnerstag, bei Ihrem Abisturm versucht, einerseits Ihrer Freude und Ausgelassenheit die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben – natürlich mit Unterstützung weiterer Lehrer und Schulleitungsmitglieder – und andererseits Auswüchsen entgegenzuwirken, die sich – gesamt gesehen – im Rahmen hielten. Das reichhaltige, leckere Frühstücksbüfett bewirkte eine gewisse Versöhnlichkeit und setzte einen angenehmen Schlusspunkt.

Auch das Aufräumen und Spuren-Beseitigen im Anschluss ist ein Lob wert, vor allem im Hinblick auf die Verantwortlichen der Abi-Sturm AG, die ihre Kommilitonen unter erschwerten Bedingungen noch dazu bewegen konnten.

Es gibt noch etwas Besonderes an Ihrem Jahrgang, nämlich, dass Sie die ersten waren, die ich vor neun Jahren in meinem ersten Jahr am Werner-Heisenberg-Gymnasium auch selbst aufgenommen habe und Sie im August 2002 kurz vor meiner offiziellen Amtseinführung als neue Sextaner in unserer Aula begrüßen konnte. Natürlich nicht alle, die heute hier feiern, denn ein Teil von Ihnen gehört zu denjenigen, die alles gründlich machen und schon seit 10 Jahren bei uns sind, und andere waren Seiteneinsteiger und kamen erst vor knapp drei oder vier Jahren in die Stufe 11. Es gab doch einigen Schwund in diesen neun Jahren, und hier und heute ist nun der harte Kern, der den geraden Weg durch die Gymnasialzeit am WHG gegangen ist plus der Zugänge, die es alle zum heutigen Empfang der Reifezeugnisse geschafft haben und denen ich von hier aus ganz herzlich gratuliere.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, Sie haben sich im Rahmen Ihres Abiturmottos die Losung „Babicue – Wir sind heiß und brauchen Kohle“ auf Ihre Fahnen, d.h. Ihre T-Shirts und sonst wohin geschrieben. Es handelt sich dabei nicht um eine erklärungsbedürftige oder tiefsinnige Weisheit, die die Schulleiterin in ihrer Feierrede analysieren, interpretieren, also deuten müsste, sondern um einen witzigen Spruch, der Ihre Freude über den Abschluss, Ihre Unternehmungslust auf Neues und in Freiheit von der Schule, aber auch Ihren Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit ausdrückt. Und die Erfüllung dieses Wunsches sei Ihnen allen gegönnt.

Doch, wie kommen Sie dahin, und wie sollen diese Wünsche erfüllt werden? Wenn ein Elternhaus hinter Ihnen steht, das Ihnen vielleicht eine schöne Reise jetzt bald im Anschluss an das Schulende finanziert, vielleicht auch ein Jahr oder ein halbes im Ausland ermöglicht, in dem man viel Neues erkunden, erfahren und sich den Wind um die Nase wehen lassen kann, oder gar ein Sommer zu Hause, in dem man mal nicht viel tut außer alles in die Wege zu leiten, damit das Studium oder die Ausbildung im Herbst begonnen werden kann, dann lässt sich damit doch schon mal gut leben. Bei anderen unter Ihnen wird das nicht so einfach möglich sein und Sie werden den Job, den Sie vielleicht schon in den letzten Jahren mehr oder weniger regelmäßig nebenbei erledigten, jetzt verschärfter angehen, oder sich einen suchen, um an mehr Kohle zu kommen, weil ein Auto oder eine Studentenwohnung finanziert werden muss und das Polster von zu Hause nicht ganz so üppig ist oder vollkommen fehlt.

Nun denn! Das macht früher deutlich, was das Leben kostet und lehrt Sie zwangsweise, Prioritäten zu setzen. Diese Banalitäten sollten aber nicht das einzige sein, was Ihre Schulleiterin Ihnen mit auf den Weg gibt. Normalerweise versuche ich in dieser Ansprache auf das zu rekurrieren, was in der jüngeren Vergangenheit passierte und eventuell für Sie richtungweisend wird. Ich könnte etwas über Perspektiven und Entwicklungen aussagen, mit denen Sie zu rechnen haben und mit denen Sie sich wohl oder übel in Ausbildung und Studium werden auseinandersetzen müssen. Dies ist ein weites Feld und mehr als Annahmen, unsichere Prognosen und gute Wünsche kommen in der Regel nicht dabei raus.

Nun, was gibt diese jüngere Vergangenheit her, was einen Bezug zu Ihnen und Ihrer Zukunft zuließe? Etwa die Plagiatsaffäre unseres Ex-Verteidigungsministers? Oder die schreckliche Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan? Die Entwicklungen und massiven Konflikte in Nordafrika und darüber hinaus? Drei sehr unterschiedliche Ereignisse!

Einen kleinen gemeinsamen Nenner gibt es schon, und alle diese Ereignisse hätten auch ganz andere oder ähnliche sein können, um daraus abzuleiten, dass es immer wir Menschen selbst sind, die ursächlich die allermeisten Entwicklungen und damit auch Katastrophen verantworten, genau so wie wir es für gute und segensreiche Abläufe und Ergebnisse tun. Wissentlich oder unwissentlich, absichtlich oder eher zufällig, aus Überzeugung oder unter Druck, aus mangelnder oder vorhandener guter Sach- und Fachkenntnis oder falscher Selbsteinschätzung, aus sozialem Gewissen oder aus Machtgier und Menschenverachtung.

Das mag so sein und ist kaum zu ändern, doch sollte es deutlich machen, dass es an der Einstellung, am Charakter, am Wesen und gewiss nicht zuletzt an der Intelligenz und Bildung des Menschen liegt, wie er mit Seinesgleichen, mit seiner Umwelt und mit sich selbst umgeht. Unser gesamter Lebensraum, die Naturgesetze, wirtschaftliche, technische, industrielle und mediale Entwicklungen, Politik und Zeitgeschichte, sind dermaßen komplex, dass wir den Überblick verlieren, und all das lässt uns von den Medien, mehr oder weniger gut recherchiert, mehr oder weniger authentisch, mehr oder weniger bewusst steuernd, in ganz bestimmten Wellen mitschwimmen und uns unsere Meinung zu bestimmten Abläufen bilden und vertreten, von der wir im Nachgang nicht mehr ganz sicher sein können, ob es wirklich unsere eigene ist.

Je jünger und unerfahrener man ist, umso einfacher und schneller lässt man sich beeinflussen, nicht unbedingt von den Inhalten, sondern eher durch die Art und Weise der Überzeugungs- und Manipulationsmechanismen, die angewendet werden und mit deren Hilfe Inhalte verändert und hingebogen werden.

Dass dies nicht nur bei jungen sondern auch bei Menschen höheren Alters noch greift, erleben wir tagtäglich, wenn Ergebnisse von Meinungsumfragen veröffentlicht werden, die ihrerseits schon wieder die nächste Umfrage beeinflussen.

Hier sollte jetzt allmählich mal die Schulbildung ins Spiel kommen, an der sich das Werner-Heisenberg-Gymnasium bei Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, im Schnitt über knapp neun Jahre versucht hat.

In unserem Schulprogramm steht, dass wir Ihnen zumindest eine solide Allgemeinbildung mit auf den Weg geben wollen, die Sie zum Hochschulstudium – in jedem Fall in einem oder mehreren Ihrer Leistungsfächer – befähigt. Wir wollten individuell bei Ihnen darauf achten, dass Sie selbst entdecken können, wo genau Ihre Interessen liegen und haben diese unterrichtlich und außerunterrichtlich gefördert – wann immer Sie dies zuließen und annahmen – und Ihnen eine werte- und kulturorientierte ganzheitliche Erziehung vermittelt. Sie sollten alle, die Sie eine fachbezogene Hausarbeit geschrieben haben, gelernt haben, dass Sie Ihre Quellen angeben müssen, auch wenn das Internet eine verführerische Vielfalt bietet und geradezu einlädt, dass man sich ihrer bedient. Und in dem einen oder anderen Fall musste die Erfahrung gemacht werden, die Freiherr zu Guttenberg doch etliche Wochen hinauszögern konnte, bevor auch er sie machen musste. Das Nebeneinanderstellen einer in mehreren Jahren entstandenen Doktorarbeit und einer in einigen Wochen entstandenen gymnasialen Hausarbeit ist aus meiner Sicht vollkommen legitim. Sie sind beide an ein Regelwerk geknüpft, dessen Akzeptanz durch die Autoren nicht zuletzt einer Wertevorstellung unterliegt, die für alle gelten muss, auch für Adelige und beliebte Politiker.

Und damit sind wir bei der Werteerziehung. Ob uns das in jedem Fall gelungen ist, hängt davon ab, wie wir, d.h. jeder einzelne Lehrer, agiert hat und wie wir uns unserem Schulprogramm verhaftet und verpflichtet gefühlt haben und fühlen.

Ich komme zurück zu den zwei noch verbleibenden Ereignissen der jüngeren Vergangenheit und zu dem, was sich für Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, daraus ableiten lässt. Die Naturkatastrophe in Japan hätte wohl niemand verhindern können, auf die Erdplattenverschiebung hat niemand von uns Einfluss, Naturkräfte zu bändigen ist gar nicht und sich vor ihren Auswirkungen zu schützen, nur sehr bedingt möglich. Und an einem so fröhlichen und feierlichen Abend wie diesem möchte man schon gar nicht an so etwas denken.

Vielleicht nicht zurück – aber denken Sie nach vorn. Was uns am meisten schützt, ist ein breites Wissen, sind fundierte Kenntnisse auf vielen Gebieten, ist eine Intelligenz, die Zusammenhänge erkennt und gute und richtige Schlüsse zulässt – und wenn all das tatsächlich vorhanden sein sollte, so fehlt uns nur noch eine verantwortliche Politik, die aus Männern und Frauen besteht, die nicht nur ihre eigene nächste Legislaturperiode in einer bestimmten Partei im Auge haben, sondern dem großen Begriff „Gemeinwohl“ zur Realisierung verhelfen.

Hier unten sitzt ein Teil dieses Potenzials, das helfen könnte, Katastrophen zu verhindern, Politik verantwortlicher zu gestalten und bestimmten Werten wieder oder endlich ihren Platz und ihre Beachtung zu geben. Wir brauchen Naturwissenschaftler aller Art, auch Atomphysiker, Geologen, hoch qualifizierte Ärzte, Gesellschaftswissenschaftler, Informationstechniker, Medienexperten, Menschen, die in all diesen und vielen weiteren Berufen Fremdsprachen beherrschen, Lehrer und Hochschullehrer, die das alte und neue Wissen kompetent, engagiert und überzeugt weitergeben. Das Wohl und Wehe der Menschheit hängt nach meiner Überzeugung in hohem Maße davon ab, wie und in welcher Absicht Staaten geführt werden – siehe die Entwicklung in Nordafrika – wie Ressourcen genutzt oder missbraucht werden und welchen Stellenwert Bildung und Wissenschaft haben. Das alles greift in meiner Darstellung zu kurz und ein Patentrezept sieht anders aus – wenn es überhaupt eines gibt.

Die Quintessenz für Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten sollte sein: lernen, wissen, mehr wissen, tiefer gehen als die Medien uns glauben machen wollen oder müssen, Verantwortung übernehmen und das Leben auf unserer Erde mitgestalten und bereichern, ob als Wissenschaftler, als Ärztin, als Lehrer oder Vorstandschefin und natürlich auch – und das ist nicht zu unterschätzen – als Vater oder Mutter.

Zum Schluss einer Abiturrede des Schulleiters oder der Schulleiterin macht sich immer ein Zitat aus der antiken Philosophie oder der klassischen Literatur gut, also etwas, was auf humanistische Bildung schließen lässt, die Sie genossen haben sollten, die Ihr weiteres Leben prägen möge und der eine Weisheit zu entnehmen ist, die kaum zu widerlegen, also unumstößlich richtig erscheint.

Ich habe für Sie etwas anderes gefunden, nämlich eine Stelle aus einem Rap-Text. Nicht, dass ich heute Abend besonders „cool“ rüberkommen müsste oder wollte, sondern weil dieser Text eine erstaunliche Aussagekraft auf mich ausgeübt hat und deutlich macht, dass die junge, also Ihre Generation, andere Ausdrucksformen kennt, die genau so eindrucksvoll sein können, wie ein romantisches Gedicht oder eine tragische Ballade für Ihre Deutschlehrer.

Ich gebe hiermit die Quelle genau an – auf meinem Skript ist sie als Fußnote[1] vermerkt und das Zitat auch kursiv gedruckt, obwohl mir ohnehin wahrscheinlich niemand abgenommen hätte, dass dieser Text aus meiner Feder stammen könnte.

Also, geschrieben hat ihn Nina Sonnenberg für ihr Album „Rotwild“ von 2009 mit dem Titel „Es geht uns gut“. Ich zitiere:

„Es gab so viel zu reden, wir haben nichts gesagt,

weil uns der Stolz auf Misserfolg zu oft auf unseren Lippen lag.

Wir müssen’s jetzt probieren, weil’s später nichts mehr bringt,

aus uns kann nichts mehr werden, weil wir schon was sind.“

Sie können sich vorstellen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, dass ich vor allem diese letzte Zeile – so logisch und tiefsinnig sie sich in die sozial- und selbstkritische Weltuntergangsstimmung des gesamten Textes einfügt, nicht gerne für Sie übernehmen und Sie Ihnen so schon gar nicht mit auf den Weg geben möchte.

Es wird Zeit für ein frohes und heiteres Fest für Sie, Ihre Familien und Freunde und auch für uns als Ihre Lehrer. Bleiben Sie dem WHG verbunden und melden Sie von Zeit zu Zeit zurück, was aus Ihnen geworden ist. Hier mein Appell in Abwandlung des vorhin gehörten Zitats:

„Sie müssen’s  jetzt probieren, weil’s später kaum was bringt,

aus Ihnen kann viel werden, weil Sie schon was sind!“

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


[1] Rotwild ist das dritte Album der Münchener Rapperin Fiva (Nina Sonnenberg) und das erste ohne ihren Partner DJ Radrum. Die Produktion übernahm Flip (bürgerlich Philipp Kroll), der Mitglied der österreichischen Hip-Hop-Gruppe Texta ist.

Wir danken Herrn Niebergall für die Überlassung des offiziellen Abiturfotos