„Querdenkerin“ vergleicht sich mit Sophie Scholl – Schüler:innen der 10. Klasse beziehen Stellung

Die Schüler:innen der Klassen 10a und 10b haben sich im Rahmen des Geschichtsunterrichts mit der Rede einer jungen Frau („Jana aus Kassel“) auf der „Querdenken“-Demonstration in Hannover auseinandergesetzt, in welcher diese sich mit Sophie Scholl vergleicht. Sophie Scholl hatte aktiven Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime geleistet und wurde aus diesem Grund schlussendlich von den Nationalsozialisten hingerichtet. Zu dieser Thematik haben die Schüler:innen eine persönliche Stellungnahme verfasst. Da das Werner-Heisenberg-Gymnasium ein Teil des bundesweiten Schulnetzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist, ist es uns als Schulgemeinschaft ein besonderes Anliegen, zu solchen Themen auch in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen.

„Meiner Meinung nach kann man Sophie Scholl nicht mit „Jana aus Kassel“ vergleichen.

Sophie Scholl lebte in einer Zeit unter der Diktatur Hitlers, die mit Angst und Schrecken einherging. Jana aus Kassel muss (!) lediglich eine Maske tragen und hat einige Einschränkungen im Vergleich zu ihrer Zeit vor Corona zu ertragen, u.a. soziale Kontakte minimieren, auf Abstand gehen, Hygieneregeln beachten.

Sophie Scholl hingegen musste jeden Tag Angst um ihr Leben haben, wenn sie aus dem Haus ging oder ihre Meinung äußert, da sie der Willkür dieses Regimes schutzlos ausgeliefert war. Bei uns hingegen spielen aktuell Ängste um Tod nur dann eine Rolle, wenn wir uns nicht an die geforderten Maßnahmen der Regierung halten. Das Virus greift aktuell auch in Deutschland massiv um sich und man hat Sorge, dass alle in der Familie dieses Virus gesund überstehen.

Bei Jana aus Kassel ist es ja eher kontraproduktiv, was sie fordert: Sie möchte in Freiheit leben und selbst entscheiden, ob sie eine Maske trägt oder nicht und möchte selbst entscheiden, mit wie vielen Leuten sie sich trifft oder nicht. Das ist für mich eine völlig absurde Forderung, da man das Virus ja nicht von der Hand weisen kann, da es eine weltweite Pandemie ist. Deshalb finde ich es erschütternd, dass man so einer Person wie Jana so eine Plattform einräumt, obwohl die ganze Welt gerade darum kämpft, die Pandemie in den Griff zu bekommen.“

Moritz, 10b

„Kann man Menschen, die gegen Coronamaßnahmen protestierten mit Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus vergleichen?

Nein, das kann man wirklich nicht im Geringsten. Die Widerstandskämpfer während des NS-Regimes mussten jederzeit mit ihrer Verhaftung und der darauffolgenden Todesstrafe rechnen und waren sich dessen bei ihren Aktionen immer bewusst. Es ist heute fast unvorstellbar, wie junge Menschen damals so viel Mut aufbringen konnten. Die selbsternannten „Querdenker“ und Demonstranten gegen die Coronamaßnahmen stehen in unserer Demokratie auf Bühnen von angemeldeten Demos, die von der Polizei bewacht werden, um ihre Kritik an den Maßnahmen der Regierung auszusprechen.  Ihr Wirken steht wirklich in keinem Zusammenhang mit dem Widerstand in der NS-Zeit, in der sich die Menschen in einer Diktatur befanden. Heute garantieren die Grundrechte der Demokratie allen Menschen unter anderem:

Art.2 das Recht auf Freiheit der Person

Art.5 das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung

Art.8 das Recht auf Versammlungsfreiheit

Art.9 das Recht auf Vereins-/ und Koalitionsfreiheit“

Sophie, 10b

„Auf einer Corona-Protestdemonstration der Gruppe „Querdenken“ verglich sich eine Frau aus Kassel mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Das Video kursierte stark in den Medien und viele Menschen kommentierten diesen Vorfall. Im folgenden Text möchte ich meine Meinung zu dem Vergleich mit Sophie Scholl, aber auch den Reaktionen im Netz darlegen.

Zu Beginn sollte erwähnt werden, dass es vollkommen unangemessen ist, die aktuelle Coronasituation mit der Nazi-Zeit zu vergleichen. Damals wurden vom Staat organisierte, schwerste Verbrechen begangen. Weder die Rechte noch die Würde der Menschen stellten Grenzen für das NS-Regime dar und wer sich zur Wehr setzte, wurde auf grausamste Weise „aus dem Weg geschafft“. So erging es auch Sophie Scholl und den restlichen Mitgliedern der „Weißen Rose“. Sie gaben ihr Leben für die Gerechtigkeit. Die heutige Situation hingegen ist als weitaus weniger dramatisch einzuordnen. Jeder Mensch hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu demonstrieren. Mit den Maßnahmen gegen das Coronavirus wird das Leben jedes Einzelnen zwar eingeschränkt, jedoch keinesfalls diktatorisch von der Regierung vorgeschrieben. Der Vergleich zu Sophie Scholl, die aus lebensbedrohlichen Gründen handelte, ist deshalb fehl am Platz. Mit den Anti-Corona-Maßnahmen versucht der Staat das Volk zu schützen und Menschenleben zu retten, nicht aber die Menschen zu unterdrücken.

Ebenso wichtig erscheint mir aber ein Kommentar zum Umgang der Gesellschaft in den Medien mit dem Fall „Jana aus Kassel“. Jana aus Kassel ist trotz ihrer unangebrachten Aussage vielen Menschen einen Schritt voraus. Sich zu trauen öffentlich die Stimme zu erheben, für deine Meinung einzutreten und sich politisch zu engagieren, braucht viel Mut, den nicht jeder aufzubringen vermag. Stattdessen verstecken sich viele einfach hinter offensiv aggressiven Worten, die viel mehr die Person als die Tat kritisieren.

Zusammengefasst lässt sich daher aus meiner Sicht sagen, dass Janas Vergleich zu Sophie Scholl vollkommen unangebracht ist. Der Umgang der Gesellschaft mit dem Vorfall ist allerdings ebenso ungerecht.“

Sandhia, 10a

Eine Studentin aus Kassel namens Jana hielt am 21.11.2020 eine Rede auf einer Querdenken-Demonstration gegen die Corona Maßnahmen. In dieser verglich sie sich mit Sophie Scholl: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin. … Ich kann und werde niemals aufhören mich für Freiheit, Frieden, Liebe und Gerechtigkeit einzusetzen.“ Sophie Scholl war eine der Hauptaktivisten der „Weißen Rose“, einer Organisation zur Zeit des Nationalsozialismus, welche sich gegen das NS-Regime und deren Maßnahmen durch Flugblätter auflehnte und die deutsche Bevölkerung zum Widerstand aufforderte. Sophie Scholl riskierte mit ihrem Handeln bewusst ihr Leben. Sie wurde 1943 mit anderen Mitgliedern der Weißen Rose, darunter auch ihrem Bruder, hingerichtet.

Ich finde es falsch, sich beim Widerstand gegen Corona Maßnahmen mit Sophie Scholl zu vergleichen. Denn zum einen gab es zur Zeit des Nationalsozialismus, im Gegensatz zur heutigen Zeit, keine Meinungsfreiheit und Sophie Scholl riskierte mit dem Widerstand ihr Leben und musste dieses schlussendlich auch für ihre Überzeugung lassen. Jana und Andere, die heutzutage protestieren, riskieren in keiner Weise den Tod mit der Äußerung ihrer Meinung. Zum andern leistete Sophie Scholl hauptsächlich Widerstand, um das Leben vieler Menschen zu retten. Sie wollte das Nazi-Regime stürzen, durch das die Freiheiten der deutschen Bevölkerung zu unrecht eingeschränkt wurden. Die Leute hingegen, die sich für die Abschaffung der Coronamaßnahmen einsetzen, würden schließlich nur erreichen, dass mehr Leute zu Tode kommen. Sie behaupten, dass sie durch die Verordnungen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Dies stimmt zwar, jedoch ist die Einschränkung der Freiheit begründet und dient dem Schutz der Bevölkerung.

Man kann die Opferung des Lebens Sophie Scholls durch den Einsatz für die Freiheit der Bevölkerung nicht mit dem Protest gegen die zeitweise, eingeschränkte Freiheit durch die Coronamaßnahmen vergleichen. Denn mit Janas Vergleich, sie sei wie Sophie Scholl, werden sowohl die Leistung, der Mut und das Risiko, welches das junge Mädchen auf sich nahm als auch das Handeln des NS-Regimes verharmlost.

Schülerin, 10b